„Frauenpower“
„Frauenpower“ zeigt sich für mich am deutlichsten im gleichnishaften Beispiel der „Mutter Gottes“, Maria.
Mar (Meer), Mater (Mutter), Materie – das sind die Begriffe, die symbolträchtig im Namen Maria schlummern und zu inhaltlicher Bedeutung geführt werden wollen: in unserem Bewusstsein. –
Inayat Khan, der Sufi-Meister, sagte einst: „Das Meer geht im Tropfen auf“. So ist es. Maria steht für das unermesslich große Meer, für alles, was aufnehmenden und hingebenden Charakter hat (wie eine Mutter) und für die Vielfalt in der Materie.
Ihre „Power“ liegt darin, die sich in Rhythmen vollziehende Entwicklung ihrer individuellen Potenz zu entfalten, zu schützen, zu fördern, zu reinigen, zu erkennen und zu analysieren. Aus der Gewissheit des „Ich bin“ erhebt sich in ihr die Frage: Wozu bin ich? Wofür soll ich mich hingeben? Was soll ich aufnehmen? Was fehlt mir?
Sie erhält die Antwort aus dem Jenseitigen, dem Andersartigen, aus der Nicht-Mater(ie): Du bist dazu berufen, einen Geist- oder Gottes-Funken aufzunehmen!
Maria hat die Botschaft in der dunklen Nacht, im Traum, empfangen. Keiner weiß davon. Keiner kann es sehen. Es ist eine unbefleckte Empfängnis. –
Diese Interpretation macht sich die Katholische Kirche zunutze, indem sie das, was nachfolgt, nämlich die Befleckung durch Josef, den Zimmermann, den Formenbauer, unterdrückt. Er ist nur ein Begleiter für Maria, einer, der nicht zeugte, sondern nur als Zeuge für die geistige Empfängnis auftritt.
Das ist äußerst raffiniert, denn damit wird der Frau die Fähigkeit abgesprochen, das Geistige in der Weise zu erfassen, dass sie es verstehen und in die Verwirklichung umsetzen könnte. Dies blieb dem Mann vorbehalten und verdammte die Frau, dem Mann untertan zu sein und keinen legitimierten Anspruch auf Zugang zu jenen Quellen zu erlangen, die sie die Wahrheit allen zyklischen Geschehens hätte erkennen lassen:
Maria nimmt die „Botschaft des Himmels“ als Auftrag an, dem Gehörten (dem Wort) eine Seele einzuhauchen, indem sie die Unschuld der unbefleckten Empfängnis opfert und sich Josef hingibt, damit er im Materiellen zeuge, was im Geistigen beschlossen ist. Das äußere Zeichen für das entstehende Leben in der Form ist das Blut (des schuldig Werdens bzw. der Befleckung).
Genau durch diesen Vorgang ist in dieser, unserer Welt jeder von uns aufgefordert, der Frau bzw. dem Weiblichen die Schlüsselstellung für das Werden in der Form zuzugestehen. Sie ist es, die uns ständig mahnt, uns daran zu erinnern, dass das Geistig-Göttliche sich in die Welt geopfert hat, indem ein Sohn mater-(ialisiert) wurde, der sichtbares Zeichen ist für den Höheren Willen, dass aus der Frau, Maria, dem Meer, der Mater, der Materie, etwas hervorgegangen ist und immer wieder hervorgehen soll, das in der Welt, in der Natur, in jedem von uns als das Unermessliche, das absolut Freie, Über-legene erkannt werden kann und soll.
Je mehr sich heutzutage Frauen dieses Auftrags bewusst werden, je mehr machen sie ihre Rechte geltend. Sie drücken es anders aus, weil die Urbilder vergessen gemacht oder eigennützig verfälscht wurden, aber das Gegen-Bild zu Gott-Vater, die Gott-Mutter, wird mehr und mehr gleichberechtigt kreiert.
Die Fantasien, Vorstellungen, Konstrukte, Konzepte, Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten, Maßnahmen, Handlungen und Behandlungen, die im Laufe der Jahrhunderte eingesetzt wurden, um zur angestammten Gleichberechtigung von Geistigem und Materiellem zu gelangen, offenbaren das Gute (Göttliche), das stets geschaffen wird, wenn ein Pol in dieser polaren Welt überstrapaziert wird.
Mittlerweile ist es in der Welt, in der man (vorübergehend) das Kriegerische der Vergangenheit reflektieren kann, klar, dass es um die Gleichberechtigung, das Sowohl:Als auch, geht.
Aber es sind immer nur wenige, die hinter die Kulissen blicken und die Schleier der Maya (Maria) durchdringen. Deshalb hat natürlich die Verwaltung der Katholischen Kirche (aber auch die Verwaltung fast aller anderen Religionsgemeinschaften) keinen Grund, etwas zu ändern an der Politik, die vorgibt, dass Maria körperlich unbefleckt empfangen habe. Im Gegenteil: Sie werden so lange es geht, dafür argumentieren, dass gerade in der Ausnahme-Erscheinung der Frau Maria sich das Wunderbare dergestalt ausdrücke, dass es etwas in dieser Welt gäbe, das unschuldig genannt werden kann, während wir, also alle anderen, schuldig wären.
Meine Meinung: Unschuldig ist nur jener Funke, der vorgab und vorgibt, dass wir uns schuldig machen MÜSSEN, um echte Religio (Rückbindung zu Gott-Vater-Mutter) zu leben. Genauso könnte ich sagen: Es gibt keine Schuld, außer jener, dass ich es mir schuldig bin, mir bewusst zu machen, wozu ich in dieser Welt berufen bin: mir klar zu werden, was mir fehlt, was mir verloren gegangen ist.
Als Mann suche ich die Frau – mit aller Power, die mir/ihr zur restlosen Verausgabung bei der Ich-Hingabe an das Du zur Verfügung steht.