Sinnvolle Zukunftsgestaltung
Die Europa-Wahl ist vorbei. Das Ergebnis steht fest. Für jene, die parteipolitisches Denken pflegen, gibt es teils Grund zum Jubeln, teils tiefe Frustration. Das kann ich sagen, obwohl heute, zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Editorials, erst der 3. Mai ist, denn es ist immer gleich: Erfolg drückt sich in diesem Zusammenhang immer in Prozenten und Parlamentssitzen aus.
Für mich gibt es nur Gewinner. Ganz gleichgültig, ob mein Wunsch in Erfüllung ging, dass die „Unabhängigen Kandidaten“ mit dem von mir geförderten Kandidaten auf dem zweiten Listenplatz, Professor Declan Kennedy, ins Parlament gekommen sind oder nicht. Denn die Tatsache, dass die nationalstaatlichen Grenzen fallen und auf wirtschaftlichem und politischem Terrain weiter um Gemeinsamkeiten gerungen wird, werte ich als Zeichen inneren Wachstums, als Ergebnis geistiger Höhenflüge und spirituellen Bewusstseins.
Als ich bei der Frankfurter Societätsdruckerei, wo zur Zeit die „Lebens(t)räume“ gedruckt werden, von 1962 bis 1964 meine verlagskaufmännische Lehre absolvierte, nahm ich parallel an Berufswettkämpfen teil und hatte als fleißiger und ehrgeiziger „Stift“ das Glück, mehrfach zu den Siegern zu gehören. Belohnt wurde ich u.a. mit der Teilnahme an so genannten Europa-Symposien, während denen wir Visionen zu einem vereinten Europa entwickelten. Viele „Brainstormings“ lieferten unendlich viele Vorschläge zu vermeintlich umsetzbaren Konzepten. Die größte Gefahr eines Scheiterns sahen wir damals in der Person von Charles de Gaulle, da wir ihm unüberwindbares nationalstaatliches Denken unterstellten. Vierzig Jahre sind mittlerweile vergangen. Viele scheinbar unüberwindbare Hürden wurden genommen. Doch die Vision erwies sich als stark genug, Widerstände zu meistern, Rückschläge zu verkraften und Parteiengezänk auszuhalten. Nach unzähligen Kriegen, nach dem offenen Ausleben der Gegen-sätzlichkeiten, offenbarte sich, dass aus Zwietracht Eintracht und aus Missklang mehr und mehr Harmonie entsteht. Endlich können die Menschen sehen, dass durch Widerspruch letztlich Einklang entsteht und dass sich das Ringen um einen Konsens lohnt. Ein solcher Prozess ist nie ganz abgeschlossen, immer wieder geht es um Feinheiten, um eine Verbesserung und ggf. Vervollkommnung.
Rückblickend ist jenen zu danken, die das Unmögliche möglich machten, die der Idee eine Seele einhauchten, Pläne machten und über Städte- und Gemeinde-Partnerschaften reale Brücken bauten. Das zwischenmenschliche Verstehen, das Akzeptieren des Anders-artigen, der Austausch der Einzigartigkeiten, das Erkennen der gemeinsamen Wurzeln, das Überwinden von Vorurteilen, die Bereitschaft zur Vereinigung der äußeren Gegensätze, das Abstreifen der konfessionellen Verpackungen zur Gottgläubigkeit – das sind JETZT die Prämissen zu einer sinnvollen Zukunftsgestaltung.
Alle Parteien aller fünfundzwanzig bis jetzt zu dem vereinten Europa zählenden Länder haben dazu den gleichen Beitrag zu leisten. Und sie werden ihn leisten, ob sie wollen oder nicht. Der Unterschied wird nur der sein, ob sie die Ein-Sicht haben, dass der Zug zur weiteren Ver-EIN-igung nicht mehr aufzuhalten ist und freiwillig das Getrenntsein aufgeben oder aber durch die Sachzwänge leidvoll dahin gedrückt werden müssen. Auf Zeit kommt es in diesem Prozess nicht an. Aus einem erhabenen Blickwinkel ist es auch klar, dass dafür noch viele Opfer gebracht werden müssen. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig. Doch das Ergebnis wird sein, dass zusammenkommt, was zusammen gehört.
Persönlich wünsche ich mir, dass die Ziele, die von den „Unabhängigen Kandidaten“ für Europa formuliert wurden, von möglichst allen Parteien übernommen werden:
– Volksabstimmungen, Bürgerentscheide und direkte Demokratie sowie eine langfristig angelegte Politik – Bürgerinnen und Bürger können aktiv mitwirken und werden bei wichtigen Entscheidungen gefragt, z.B. bei der gemeinsamen europäischen Verfassung
– Ein friedliches, tolerantes Europa, in dem die Vielfalt der Kulturen und Religionen geachtet und gelebt wird
– Klare und nachvollziehbare Regelungen statt einer unüberschaubaren Menge an Gesetzen und Verordnungen
– Ein gerechtes Finanz- und Wirtschaftssystem für solide Unions- und Staatsfinanzen. Der Weg dorthin:
– Horizontale Vernetzung und Entscheidungen „vor Ort“ statt undurchsichtige hierar-chische Strukturen
– Eine schnelle Kommunikation zwischen Betroffenen durch Förderung und Nutzung moderner Informationstechnologien, z. B. des Internets
– Statt kräftezehrendem und kostspieligem Bürokratismus eine positive Würdigung von Eigenverantwortung und persönlichem Einsatz. – Packen wir´s an